Sind im Winter auch Ganzjahresreifen erlaubt?
Ganzjahresreifen (auch Allwetterreifen) sind eine günstige Alternative für alle Fahrzeugbesitzer, die sich sowohl die Kosten für einen zweiten Reifensatz als auch den halbjährlichen Reifenwechsel sparen möchten. Doch ist im Winter die Nutzung von Ganzjahresreifen erlaubt – und zwar bei allen Witterungslagen? Und wie steht es um den Versicherungsschutz?
Laut geltendem Straßenverkehrsrecht besteht in Deutschland seit einigen Jahren eine situative Winterreifenpflicht. Diese schrieb bislang für winterliche Straßenverhältnisse („Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis- oder Reifglätte“; § 2, Abs. 3a, StVO) die Nutzung von M+S-Reifen vor. Seit dem 1. Januar 2018 haben sich die Gesetze jedoch geändert. Nun gilt § 36 Abs. 4 der StVZO und es sind nur jene Reifen wintertauglich, die das Alpine-Symbol (Bergpiktogramm mit Schneeflocke) tragen. Das besagt die Regelung Nr. 117 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNECE) – Einheitliche Bedingungen für die Genehmigung der Reifen hinsichtlich der Rollgeräuschemissionen und der Haftung auf nassen Oberflächen und/oder des Rollwiderstandes (ABl. L 218 vom 12.8.2016, S. 1).
Damit Autofahrer nicht sofort neue Reifen kaufen müssen, gilt eine Übergangszeit. Bis zum 30. September 2024 sind M+S-Reifen weiterhin erlaubt, wenn sie vor dem 1. Januar 2018 hergestellt wurden. Wer dagegen bei winterlichen Witterungsbedingungen mit Sommerreifen fährt, begeht eine Ordnungswidrigkeit im Sinne der Straßenverkehrsordnung. In solch einem Fall müssen Autofahrer mit folgenden Strafen rechnen:
Tatbestand | Bußgeld | Punkte (VZR) | Fahrverbot |
---|---|---|---|
Nutzung von Sommerreifen bei winterlichen Straßenverhältnissen | 60 € | 1 | nein |
Nutzung von Sommerreifen bei winterlichen Straßenverhältnissen, woraus eine Behinderung des Verkehrs resultiert |
80 € | 1 | nein |
Nutzung von Sommerreifen bei winterlichen Straßenverhältnissen, woraus eine Gefährdung des Verkehrs resultiert |
100 € | 1 | nein |
Nutzung von Sommerreifen bei winterlichen Straßenverhältnissen, woraus ein Unfall resultiert |
120 € | 1 | nein |
Quelle: KBA (Stand: Oktober 2018)
Zudem wird neuerdings nicht nur der Fahrer bestraft, sondern auch der Halter, denn dieser ist für die Inbetriebnahme ohne die erforderliche Bereifung mit dem Alpine-Symbol verantwortlich. Bei einem Verstoß muss er mit einem Bußgeld von 75 Euro und einem Punkt im Fahreignungsregister rechnen.
In Österreich wird bei Fahren ohne Winterreifen trotz winterlicher Verhältnisse eine Strafe von 35 Euro verhängt, insbesondere innerhalb des gesetzlich festgelegten Zeitraums vom 1. November bis zum 15. April. Allerdings kann bei einer Gefährdunng anderer Verkehrsteilnehmer ein Strafverfahren eingeleitet werden, im Zuge dessen sich die Summe auf mehrere Tausend Euro erhöhen kann.
Bei Ganzjahresreifen auf das M+S-Zeichen achten
Inzwischen sind die meisten Ganzjahresreifen mit dem Alpine-Symbol gekennzeichnet, wodurch sie unter die Menge der gesetzlich zugelassenen Winterreifenmodelle fallen. Laut des deutschen Straßenverkehrsrechts ist daher auch im Winter die Verwendung von Ganzjahresreifen erlaubt, solange diese wintertauglich sind .
In Österreich schreibt das Gesetz vor, dass Winterreifen mit den Buchstaben M und S gekennzeichnet sein müssen. Experten raten jedoch, zusätzlich auf das Schneeflocken- oder Alpine-Symbol zu achten, da die für dessen Vergabe strengere Kriterien angelegt werden. Trotzdem reicht eine solche Kennzeichnung allein wiederum nicht aus, um die gesetzlichen Vorschriften zur Winterreifenpflicht in Österreich zu
Unter diesen Voraussetzungen stellt die Nutzung von Ganzjahresreifen auch für die Versicherung kein Problem dar. Wer im Winter mit den Allwetterprofilen fährt, genießt den gleichen Versicherungsschutz wie Fahrzeuge, die mit Winterreifen unterwegs sind. Einzige Ausnahme (für beide Arten der Bereifung): Sobald am Straßenrand das blaue Schild mit dem Schneekettensymbol auftaucht, darf ohne vorschriftsmäßig angelegte Schneeketten nicht weitergefahren werden.
Ist die winterliche Nutzung von Ganzjahresreifen sinnvoll?
Die Materialzusammensetzung eines Winterreifens ist speziell für niedrige Temperaturen ausgelegt. So enthalten die Winterpneus einen hohen Anteil an Naturkautschuk, wodurch sie auch bei Kälte weich genug bleiben, um beim Bremsen ausreichend Grip zu gewährleisten. Sommerreifen dagegen sind bei Kälte zu hart, um sich sicher mit dem Asphalt zu verzahnen. Ihre Gummimischung ist nur für hohe Temperaturen geeignet.
Ganzjahresreifen stellen hier lediglich einen Kompromiss dar. Das heißt, ihre Materialmischung ist weder für besonders hohe noch für sehr niedrige Temperaturen optimal geeignet.
Gleiches gilt für die Beschaffenheit der Laufflächen. Während Sommerprofile spezielle Wischkanten aufweisen (um effizient Wasser abzuleiten), verfügen Winterreifenprofile über zahlreiche Lamellen, die auch bei Schnee und Eis für Griffigkeit sorgen. So sind hierzulande zwar sommers wie winters Ganzjahresreifen erlaubt – ihre Fahr- und Bremseigenschaften allerdings bleiben stets hinter den Qualitäten der jeweiligen Jahreszeit-Experten zurück.
Dies spiegelt sich auch in den alljährlichen Reifentests wieder, in welchen die Ganzjahresreifen zumeist schlechter als ausgewiesene Wintermodelle abschneiden. Wer sichergehen möchte, hochwertige Reifenmodelle für den Ganzjahreseinsatz zu finden, sollte daher vor dem Reifenkauf die Testsieger der einschlägigen Ganzjahresreifentests miteinander vergleichen.
Fazit
Obwohl auch im Winter die Nutzung von Ganzjahresreifen erlaubt ist, stellen die Allwetterreifen stets einen Kompromiss zulasten der Fahrsicherheit dar. Denn ein Ganzjahresreifen kann weder bei Hitze noch bei Kälte Bestleistungen vollbringen. Und im Ernstfall kann jeder Meter an Bremsweg über Leben und Tod entscheiden.
Autor: Henrik Lode
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