Seit Monaten überschlagen sich wilde Gerüchte und eilige Dementi in der Berichterstattung um das heikle Thema, mit dem die CSU in den letzten Wahlkampf zog – die Pkw-Maut. Heute nun ist es endlich soweit: Verkehrsminister Alexander Dobrindt stellt der Presse sein vollständiges Konzept vor. Und das birgt nicht nur neuen Diskussionsstoff, sondern auch einige Überraschungen.
Der Entwurf sieht nämlich ein viel breiteres Anwendungsgebiet der umstrittenen Vignetten vor, als bisher angenommen: Die Infrastrukturabgabe, so die offizielle Bezeichnung für die Pkw-Maut, soll nicht nur für die Autobahn, sondern für das gesamte deutsche Straßennetz fällig werden.
So soll die Pkw-Maut aussehen
Die Ausweitung soll verhindern, dass der Verkehr sich, wie in Österreich zu beobachten, von der Autobahn auf die Landstraßen verlagert. Dieser neue Umstand ruft jedoch sofort die Länder auf den Plan, die sich nun durch die Nutzung „ihrer“ Landes- und kommunalen Straßen erhoffen, auch an den Einnahmen beteiligt zu werden. Die ohnehin fragliche Rentabilität für den Bund ist damit weiter in Frage gestellt. Die jährlichen Kosten sollen sich nach Ökoklasse des Fahrzeugs gestaffelt auf höchstens 150 Euro belaufen, das wäre beinahe doppelt soviel wie in Österreich. Je nach Hubraum und verwendetem Treibstoff können aber auch nur 20 Euro fällig werden. Um inländische Fahrzeughalter nicht zusätzlich zu belasten, soll die Kfz-Steuer um den jeweiligen Betrag gesenkt werden. Eine solche Lösung wäre einmalig innerhalb der EU, was vor allem außerhalb Deutschlands erwartungsgemäß nicht unbedingt für Zustimmung sorgt. Die Kosten für ausländische Fahrer orientieren sich dagegen an dem Vorbild der benachbarten Alpenrepublik: Für 10 respektive 20 Euro kann eine Vignette erworben werden, die entweder zehn Tage oder zwei Monate gültig ist (Österrreich: 8,50 und 24,80 Euro). Erhältlich sein soll die Vignette an Tankstellen oder über das Internet. Deutsche Fahrzeughalter bekämen ihre Jahresvignette automatisch per Post zugesandt.
Kritik macht sich an Details fest
Die Einnahmen aus der Pkw-Maut sollen ausschließlich in die Sanierung des deutschen Straßennetzes fließen, so Dobrindt. Das sei bitter nötig: „Unsere Verkehrsinfrastruktur untersteht in der Tat wachsenden Belastungen durch hohen Verschleiß", erklärt der Minister zu Beginn der Veranstaltungen. Dagegen kam erst vor wenigen Jahren eine vom DIW angestellte Studie zu dem gegenteiligen Ergebnis: Die eingenommene Steuern und Abgaben überträfen auch ohne Maut die Verschleißkosten um das Doppelte bis Vierfache. Erste Reaktionen auf das vorgestellte Konzept der CSU fallen dementsprechend eher skeptisch aus – allerdings bleibt die Grundsatzfrage nach Sinn oder Unsinn einer Pkw-Maut dabei ausgeklammert. Die Kritiker Dobrindts von der grünen Opposition bis zum ADAC stoßen sich eher an den Details des Entwurfs: Zu hoch sei der Bürokratieaufwand, zu gering die Einnahmen, zu ungerecht die unterschiedliche Belastung in- und ausländischer Fahrer.
Lässt die EU-Kommission den Entwurf durchgehen?
Auch aus den Nachbarländern wird Widerspruch laut: Sowohl Österreich als auch die Niederlande haben bereits im Vorfeld rechtliche Schritte angekündigt, sollte Deutschland eine Pkw-Maut einführen, welche de facto nur für Ausländer gilt. Um sich abzusichern, will Alexander Dobrindt die Gesetzesfindung von einer Arbeitsgruppe begleiten lassen, die sich sowohl aus Mitarbeitern seines Verkehrsministeriums sowie aus EU-Beamten zusammensetzen soll. Zudem soll eine Aufteilung auf zwei unterschiedliche Gesetze die Einführung der Maut von der Steuersenkung formal abkoppeln. Ob das jedoch ausreicht, um kritische Stimmen zu besänftigen? Die EU-Kommission hatte schließlich bereits im Vorfeld einen solchen Ausgleich über die Kfz-Steuer als diskriminierend abgelehnt, da ausländische Fahrer nicht die Möglichkeit hätten, davon zu profitieren. Andererseits liegt die Gestaltung der Kfz-Steuer in der Hand der Mitgliedsstaaten, wie der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur heute in seinem Auftritt vor der Presse betont. Dobrindt versucht, mit der doppelten Regelung den Spagat zu meistern zwischen den scheinbar unvereinbaren Kriterien, welche die Koalitionspartner von SPD und CDU der Pkw-Maut auferlegt haben: Einerseits darf die Vignette den deutschen Wähler nicht zusätzlich belasten, andererseits muss EU-Recht gewahrt bleiben. Vielleicht erhoffen sich die Regierungspartner insgeheim, dass das Lieblingsprojekt der CSU an diesem formalen Dilemma scheitert – stößt das Thema Maut doch außerhalb von Bayern auf wenig Zustimmung. Kein Wunder: Bayern ist mit Österreich und Tschechien von Maut-pflichtigen Ländern umgeben, wer über die Alpen ins nahe gelegene Italien reist, wird sogar gleich zweimal zur Kasse gebeten. Das sorgt für Unmut. Norddeutsche Familien, die ihren Sommer in Dänemark oder an der polnischen Ostsee verbringen, bleiben vom Wegeszoll dagegen genauso verschont wie der junge Westdeutsche, der für ein Wochenende nach Amsterdam fährt. Das Verständnis für die bayrischen Befindlichkeiten hält sich dementsprechend in Grenzen. Reichen also die Vorsichtsmaßnahmen des Verkehrsministers, um seinem auch in Berlin höchst umstrittenen Projekt die Zustimmung der EU-Kommission zu sichern? Die nächsten Tage werden es wohl zeigen. Das letzte Wort in Sachen Pkw-Maut in Deutschland ist jedenfalls noch lange nicht gesprochen.