Der Unfallratgeber für alle Fälle
1. Editorial
Unsere Fahrzeuge werden immer sicherer, Verkehrskonzepte zunehmend effektiver und technologische Assistenzsysteme besser und leistungsfähiger. Trotzdem bleiben Verkehrsunfälle nicht aus.
Doch wie kann ich hier effektiv vorbeugen? Was gibt es während eines Unfalls zu beachten? Und welche Fehler darf ich bei der nachträglichen Abwicklung der Formalitäten unter keinen
Umständen begehen?
Der vorliegende Unfallratgeber beantwortet Ihnen alle wichtigen Fragen rund um die Themen Unfallprävention, richtiges Fahrverhalten, Erste-Hilfe-Maßnahmen und Unfallabwicklung ausführlich, anschaulich und übersichtlich.
2. Persönliche Vorbereitung – Tipps gegen den Sekundenschlaf
Wussten Sie schon? Kaffee selbst ist kein Wachmacher. Jedoch regt er die Ausschüttung von Adrenalin im Körper an – und das hilft dann kurzzeitig gegen Müdigkeit.
Tipp 1: Nie übermüdet losfahren Besonders vor längeren Fahrten sollten Sie ausreichend schlafen. Zudem sind anstrengende Tätigkeiten und allzu schwere Kost direkt vor Fahrtantritt zu vermeiden.
Tipp 2: Pausen einlegen Mindestens alle 2-3 Stunden muss eine Pause eingelegt werden. Dabei sind Ruhe, Abstand zum Verkehrsgeschehen und ausreichendes Trinken wichtig. Spätestens nach 10 Stunden sollten Autofahrer eine längere Rast einlegen und sich Schlaf gönnen.
Tipp 3: Physiologische Anzeichen und Leistungstiefs beachten Schwere Gliedmaßen, häufiges Blinzeln und brennende oder schmerzende Augen sind untrügliche Anzeichen für Übermüdung. Vor allem in den typischen Phasen der physiologischen Leistungstiefs (2 bis 6 Uhr morgens und 12 bis 16 Uhr nachmittags) sind Autofahrten mit einem stark erhöhten Sekundenschlaf-Risiko verbunden.
Tipp 4: Monotonie während der Fahrt vermeiden Gespräche mit den Mitfahrern, Fingerübungen, das Kauen eines Kaugummis und Ähnliches durchbrechen die Monotonie während der Fahrt und verhindern aufkommende Müdigkeit. Aber Achtung: Trotz der Ablenkungen darf nie die Konzentration auf das Verkehrsgeschehen verloren gehen!
Tipp 5: Nicht überschätzen Bei langen Fahrten (zum Beispiel in den Urlaub) sollten Autofahrer sich nicht überschätzen. Das heißt: Regelmäßige Fahrerwechsel durchführen und längere Zwischenstopps einplanen. Wer sich müde fühlt, sollte lieber eine zusätzliche Rast oder eine außerplanmäßige Übernachtung einlegen, als auf der Autobahn am Steuer einzuschlafen.
3. Autovorbereitung – So wird Ihr Fahrzeug reisefit
Wussten Sie schon? Wer aufgrund eines leeren Tanks liegenbleibt, kann wegen Verkehrsbehinderung mit einem Bußgeld belegt werden.
Checkliste zur Autovorbereitung:
- Verbandskasten, Warndreieck, Radkreuz, Eiskratzer und Sicherheitsweste mitführen
- Flüssigkeitsstände überprüfen (Tankfüllung, Ölstand, Kühlflüssigkeit, Scheibenwischwasser, Bremsflüssigkeit)
- Funktion sämtlicher Leuchten testen
- Scheibenwischblätter und Funktion der Waschanlage überprüfen
- Scheiben und Kennzeichen reinigen
- Gepäck sorgfältig sichern (innen und außen) und während der Pausen den festen Sitz überprüfen
- Fahrersitz, Nackenstütze, Seiten- und Rückspiegel richtig einstellen
- Sicherheitsgurt anlegen
- ESP (beziehungsweise DSC, PSM, DSTC oder VDC) aktivieren (Ausnahme: Anfahren auf losen Untergründen)
- Profiltiefe der Reifen überprüfen (TÜV-Empfehlung: Sommerreifen bis 2 mm und Winterreifen bis 4 mm verwenden)
- Reifenluftdruck entsprechend den Angaben in der Bedienungsanleitung des Fahrzeugs anpassen (Achtung: Zwischen Teillast- und Volllastdruck unterscheiden)
- Reifenoberfläche regelmäßig auf Risse und Beulen untersuchen
4. Fahrverhalten – Hauptrisikofaktoren für Verkehrsunfälle
Wussten Sie schon? Rund ein Fünftel aller in Deutschland begangenen Straftaten werden im Straßenverkehr verübt.
Unvorsichtiges und fahrlässiges Verhalten im Straßenverkehr ist gesetzwidrig, überaus gefährlich und kann kostspielige Folgen haben. Als Hauptrisikofaktoren für tödliche Crashs gelten vor allem der fehlende Sicherheitsgurt, Alkohol am Steuer und eine überhöhte Geschwindigkeit. Die Strafen variieren hierbei je nach Schwere des Tatbestands. So kostet beispielsweise eine Tempoüberschreitung von 11 km/h innerorts 25 Euro, wer 21 km/h zu schnell fährt, zahlt schon 80 Euro und bekommt einen Punkt im Verkehrszentralregister (VZR). Weitere typische Verhaltensfehler und die dazugehörigen aktuellen Bußgelder finden sich in der nachfolgenden Übersicht.
Kommt es beispielsweise aufgrund fehlender Winterbereifung zu einem Unfall, werden anstatt der 40 Euro sogar 120 Euro fällig. Generell gilt: Resultieren aus einem Verkehrsvergehen eine Behinderung, eine Gefährdung oder ein Unfall, erhöhen sich die üblichen Bußgelder noch einmal
4.1 Strafbestände
Tatbestand | Bußgeld | Punkte in VZR | Fahrverbot |
---|---|---|---|
Fahren ohne angelegten Sicherheitsgurt | 30€ | ||
Fehlender Sicherheitsabstand (je nach schwere) | 75-400€ | 1-4 Punkte | 0-3 Monate |
Wenden, rückwärts oder entgegen der Fahrtrichtung fahren auf Autobahnen oder Kraftfahrstraßen | 200€ | 4 Punkte | 1 Monat |
Linksfahren (bei rechter freier Fahrspur) | 25€ | ||
Überfahren einer Ampel bei rot | 90€ | 3 Punkte | |
Rechtswidriges überholen bei unklarer Verkehrslage | 100€ | 3 Punkte | |
Nichtbeachten der Vorfahrt | 100€ | 3 Punkte | |
Benutzung des Seitenstreifens zum Zweck des schnelleren Vorankommens | 75€ | 2 Punkte | |
Nutzung von Sommerreifen bei winterlichen Straßenverhältnissen | 40€ | 1 Punkt |
5. Verkehrsunfälle – Fakten und Zahlen
Wussten Sie schon? Das erste registrierte Todesopfer eines Autounfalls war Henry Bliss: Er starb am 13.September 1899 in New York.
Im Zuge des steigenden Fahrzeugbestandes erhöht sich auch das Unfallpotenzial auf deutschen Straßen stetig. Der traurige Rekord im Bereich der polizeilich registrierten Verkehrsunfälle stammt mit 2,41 Millionen aus dem Jahr 1999. 2012 wurden in Deutschland 2,38 Millionen Unfälle gezählt. Trotz der konstant hohen Unfallzahlen verringert sich die Zahl der Verkehrstoten schon seit Jahren kontinuierlich. So kamen im Jahr 2012 insgesamt 387.913 Personen zu Schaden, 3.606 davon verunglückten tödlich. Zum Vergleich: Im Jahr 1970 starben noch 19.193 Menschen auf deutschen Straßen.
5.1 Verkehrstote – Zahl der Verkehrstoten seit Jahren rückläufig
Der Fahrzeugbestand steigt jährlich stark an. Am 01.01.2013 waren 52,4 Millionen Fahrzeuge in Deutschland registriert – so viele wie nie zuvor. Die Anzahl der polizeilich registrierten Verkehrsunfälle dagegen blieb in den letzten 20 Jahren weitgehend konstant: Mit 2,386 Millionen Unfällen entsprach die Unfallzahl für das Jahr 2012 in etwa dem Wert von 1992 (2,385 Millionen). Allerdings verteilten sich die Unfälle von 2012 auf über 51 Millionen Fahrzeuge, 1992 waren dagegen nur 38,5 Millionen Autos auf den hiesigen Straßen unterwegs. Daraus lässt sich eindeutig ein Trend hin zu mehr Sicherheit im Straßenverkehr ablesen. Gleiches gilt für die Anzahl der verunglückten Personen: Während 1992 noch über 500.000 Verkehrsteilnehmer bei Unfällen zu Schaden kamen, sank die Zahl bis 2012 auf unter 388.000.
5.2 Unfallverursacher – 18-24-Jährige sind größte Risikogruppe
Jeder vierte Verkehrsunfall, bei dem es Todesopfer zu beklagen gibt, geht auf das Konto eines 18-24-Jährigen. Der Anteil dieser Altersgruppe am Gesamtbestand hiesiger Autofahrer beträgt allerdings nur rund 7 Prozent.
Damit stellen die Fahranfänger die größte Risikogruppe im Straßenverkehr dar. Vor allem die Kombination mit den typischen Unfallauslösern „überhöhte Geschwindigkeit“ und „Alkohol am Steuer“ wird hier deutlich: Rund ein Drittel aller Alkoholunfälle gehen auf das Konto von 18-24-Jährigen, im Falle überhöhter Geschwindigkeit als Unfallursache sind sogar über 40 Prozent der Hauptschuldigen dieser Altersgruppe zuzuordnen.
5.3 Alkohol am Steuer – 85 Prozent der Alkoholunfälle werden von Männern verursacht
Etwa 5 Prozent aller Verkehrsunfälle, bei denen Personen zu Schaden kommen, sind auf Alkohol am Steuer zurückzuführen. Handelt es sich um Unfälle mit Todesfolge, ist sogar in 10 Prozent aller Fälle Alkohol die Unfallursache. Männliche Fahrer haben hierbei einen erstaunlich hohen Anteil: Rund 85 Prozent aller Alkoholunfälle gehen auf ihr Konto. Der Anteil der männlichen Halter bei neuzugelassenen Fahrzeugen beträgt jedoch nur circa zwei Drittel. Verantwortlich für dieses Ungleichgewicht ist ein Phänomen, das nicht speziell auf den Straßenverkehr zurückzuführen ist. Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) sorgen gesellschaftliche Rollenerwartungen nach wie vor dafür, dass riskanter und problematischer Alkoholkonsum bei Männern weitaus stärker verbreitet ist als bei Frauen (Männer: rund 33 Prozent, Frauen: rund 9 Prozent).
6. Sofortmaßnahmen – Rettungskette befolgen
Wussten Sie schon? Wer als Unfallhelfer selbst verletzt wird, hat gegenüber dem Unfallverursacher Anspruch auf Schadenersatz – auch dann, wenn falsche Hilfemaßnahmen ergriffen wurden.
Ist es trotz aller Vorsichtsmaßnahmen zu einem Unfall gekommen, muss die Rettungskette befolgt werden. Diese läuft stets gleich ab:
1. Sofortmaßnahmen durchführen, 2. Notruf absetzen, 3. Erste Hilfe leisten.
Die erste Aufgabe besteht darin, die Unfallstelle abzusichern. Denn sowohl die Eigensicherung als auch die Vermeidung weiterer Gefährdungen hat immer den Vorrang. Folgende Maßnahmen müssen ergriffen werden:
- Einschalten der Warnblinkanlage
- Fahrzeug so weit wie möglich am rechten Straßenrand abstellen (sofern man nicht selbst in den Unfall verwickelt ist)
- Motor abstellen
- Reflektierende Warnweste anlegen
- Warndreieck in ausreichender Entfernung aufstellen (im Ort: 50 m, auf der Landstraße: 100 m, auf einer Autobahn: 150-200 m)
- Unfallzeugen zum Helfen auffordern
Beim Verlassen des Fahrzeugs muss dabei stets der Verkehr beachtet werden, um weitere Gefahren auszuschließen. Wer sich auf einer Autobahn befindet, sollte hinter der Leitplanke bleiben.
7. Notruf absetzen
Wussten Sie schon? Ein Notruf kann vom Handy auch ohne Guthaben abgesetzt werden. Eine aktivierte SIM-Karte allerdings muss vorhanden sein.
Sofern es Verletzte gibt, muss nach dem Absichern der Unfallstelle unverzüglich ein Notruf abgesetzt werden. Dieser erfolgt entweder über die 110 (Polizei) oder die 112 (Feuerwehr oder Rettungsdienst). Der Rettungsstelle sind dabei folgende Informationen zu übermitteln:
- Wer ist der Anrufer? (Name, Telefonnummer)
- Wo ist der Unfall passiert? (Je exakter die Ortsangabe ausfällt, desto schneller können Rettungskräfte den Unfallort finden.)
- Was ist geschehen? (Unfallhergang und aktuelle Situation beschreiben)
- Wie viele Verletzte gibt es?
- Welcher Art sind die Verletzungen?
- Warten und die Rückfragen des Gesprächspartners abwarten. (Faustregel: Das Telefonat wird stets von der Notrufzentrale beendet.)
Sofern ein Gefahrgut-Fahrzeug in den Unfall verwickelt ist, muss zusätzlich die Kennzahl auf der orangefarbenen Warntafel durchgegeben werden.
Handelt es sich lediglich um eine Panne, kann die gebührenfreie Telefonnummer 0800/6683663 (0800 NOTFON D) angerufen werden.
Hinter dieser „mobilen Notrufsäule“ verbirgt sich der Handy-Notruf der deutschen Autoversicherer.
8. Erste Hilfe – Checkliste für Lebensretter
Wussten Sie schon? Außerhalb von Kliniken müssen in Deutschland jährlich zwischen 30.000 und 40.000 Menschen reanimiert werden.
Bis die Rettungskräfte am Unfallort eintreffen, müssen sich die Ersthelfer um die Unfallopfer kümmern. Dabei gilt das Hauptaugenmerk bewusstlosen Personen. Folgende Maßnahmen sind hier zu ergreifen:
- Überprüfung der lebenswichtigen Funktionen (Atmung und Herzschlag)
- Bewusstlosen in eine stabile Seitenlage bringen (bei normaler Atmung)
- Einem bewusstlosen Motorradfahrer ist unbedingt der Helm abzunehmen (um ein Ersticken an Erbrochenem oder Blut zu verhindern)
- Bei Bewusstlosigkeit und fehlender Atmung (Kreislaufstillstand): Herz-Lungen-Wiederbelebung durchführen
- Herz-Lungen-Wiederbelebung: 30 x Herzdruckmassage und 2x Atemspende im Wechsel durchführen (so lange, bis die normale Atmung wieder einsetzt oder der Rettungsdienst vor Ort eintrifft)
Gibt es verletzte Personen mit starken Blutungen, muss ein Druckverband angelegt werden. Grundsätzlich gilt: Jeder Autofahrer sollte regelmäßig seine Erste-Hilfe-Kenntnisse auffrischen, um im Ernstfall schnell und sicher reagieren zu können. Wer sich die Durchführung von Erste-Hilfe-Maßnahmen nicht zutraut, sollte trotzdem unbedingt am Ort des Geschehens bleiben, um den Unfallopfern beizustehen.
9. Nach dem Unfall
Wussten Sie schon? Wer eine separate Verkehrsrechtsschutzversicherung abschließt, ist bei allen Verkehrsstreitigkeiten in finanzieller Hinsicht abgesichert.
Sind alle Verletzten versorgt, gilt es, den Unfallhergang genau zu dokumentieren und Beweise zu sichern. Der Europäische
Unfallbericht hilft Ihnen in solch einem Fall, trotz der hektischen Situation nichts Wichtiges zu vergessen. Folgende Dinge sind hier unbedingt zu notieren:
- Datum, Uhrzeit und Unfallort
- Beschreibung des Unfallhergangs (inklusive Fotos einer Unfallszene)
- Namen und Anschriften von beteiligten Personen und Zeugen
- Amtliche Kennzeichen aller beteiligten Fahrzeuge
- Angaben zu den jeweiligen Versicherungen (Versicherungsgesellschaft und Versicherungsnummer)
- Angaben auf der grünen Karte
- Unterschriften aller Beteiligten
Überdies sind unbedingt die Polizei und die eigene Versicherung zu verständigen. Nach Möglichkeit sollten am Unfallort die Beweise gesichert werden (Fotos schießen, Markierungen auf die Straße zeichnen), bevor die beteiligten Fahrzeuge von der Straße gefahren werden. Dabei darf jedoch niemals die eigene Sicherheit gefährdet werden. Zudem ist auf eine angemessene Verhältnismäßigkeit zu achten: Wer etwa wegen eines kleines Bleichschadens den Verkehrsfluss einer Hauptstraße stark einschränkt, handelt in hohem Grade unverhältnismäßig.
10. Vorsicht Falle!
Wussten Sie schon? Schätzungen zufolge werden rund 8-10 Prozent aller Unfälle in Deutschland durch Betrüger absichtlich herbeigeführt, um Versicherungsgeld zu kassieren.
Wer sich nach einem Unfall falsch verhält, kann leicht vom Unfallgegner übervorteilt werden. Daher gibt es verschiedene Verhaltensregeln, die Sie unbedingt befolgen sollten:
- Unfallort nicht verlassen
- Abwicklung der Unfalldokumentation stets selbst übernehmen (und niemals Dritten überlassen)
- Niemals die eigene Schuld eingestehen
- Persönliche Angaben des Unfallgegners sorgfältig mit dessen Ausweispapieren abgleichen
- Ausgefüllten Unfallbericht unterschreiben und unterschreiben lassen (die Unterschrift ist kein Schuldeingeständnis)
- Unfallsituation aus verschiedenen Blickwinkeln mit eigenem Fotoapparat oder eigenem Smartphone fotografieren
- Gutachter und Werkstatt selbst auswählen (und nicht die Wahl dem Unfallgegner oder seiner Versicherung überlassen)
- Bei Personenschäden bzw. dem Verdacht einer Verletzung unbedingt einen Arzt aufsuchen (dient sowohl der eigenen Sicherheit als auch der Sicherung späterer Ansprüche)
Wir wünschen Ihnen eine angenehme, sichere und unfallfreie Fahrt!